Güterwagen der Straßenbahn Meißen
Seit Mitte 2017 befindet sich ein mehr als 110 Jahre alter schmalspuriger offener zweiachsiger Güterwagen im Eigentum der ISEG. Um was für ein Fahrzeug handelt es sich dabei?
Die elbabwärts von Dresden gelegene Stadt Meißen – weltbekannt durch ihre Porzellanmanufaktur – konnte zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit einer besonders vielseitigen verkehrstechnischen Erschließung aufwarten:
- Anbindung an das sächsische Regelspurnetz über die Hauptbahn (Leipzig –) Borsdorf – Coswig (– Dresden)
- Anbindung an das weitverzweigte sächsische 750-mm-Schmalspurnetz in Richtung Wilsdruff/Freital und Lommatzsch/Döbeln
- Güterumschlag von/zur Binnenschifffahrt auf der Elbe
- Haltestelle der Personendampfschifffahrtslinie Dresden – Riesa – Mühlberg
- Überlandverkehr mittels Kraftomnibuslinien
- Städtischer Personennahverkehr mittels meterspuriger Straßenbahn
Elektrische Lokomotiven beförderten auf dieser Güterbahn regelspurige Güterwagen im Huckepackbetrieb auf Rollböcken (engl. Trucks) zwischen dem Bahnhof Meißen Triebischtal und den
linkselbischen Industrieanschlüssen. Für den Güterverkehr zwischen den Fabriken und dem rechtselbisch angelegten Hauptbahnhof sowie dem Elbkai standen hingegen 17
meterspurige Güterwagen zur Verfügung. Mit dem Neubau der Elbbrücke endete 1934 der Straßenbahnbetrieb zum Hauptbahnhof und zu Beginn des Zweiten Weltkrieges auch
der Güterverkehr zum Elbufer. Ein Grund dafür war der Importstopp amerikanischer Jute, die bis dato in nicht unwesentlichen Mengen vom Schiff zur Verarbeitung in der Meißner
Jutespinnerei und -weberei umgeschlagen wurde. Den Großteil der nicht mehr benötigten Güterwagen übernahm der Militärfiskus des Deutschen Reiches und so gelangten sechs der Wagen
auf die Nordseeinsel Langeoog, wo sie zunächst für Materialtransporte zur militärischen Befestigung der Insel gegen Großbritannien dienten. Die nach Kriegsende noch vorhandenen vier
ex Meißner Güterwagen kamen fortan im regulären Frachtgüterverkehr oder zu bahninternen Materialtransporten zum Einsatz. Im Jahre 2009 verlagerte die Inselgemeinde den Güterverkehr
von der Schiene auf Elektrolastfahrzeuge. Etwa 20 Güterwagen verkaufte die Inselbahn an Museumsbahnen und interessierte Privatpersonen, darunter auch die vier ex Meißner.
Einen davon konnte die ISEG im Jahr 2017 von einem privaten Sammler erwerben. Im Sächsischen Umschulungs- und Fortbildungswerk Dresden e. V. (SUFW) fand von 2018 bis 2021 seine Restaurierung statt. Dabei wurde der ursprüngliche Radsatzstand wiederhergestellt. Auf den Nachbau der Seitenwände verzichtete die ISEG, um den Zustand zu zeigen, wie diese Wagen beim Jutetransport genutzt worden sind. Bei der Aufarbeitung verdichteten sich die Zeichen, dass es sich um den 1907 in Breslau gebauten Güterwagen 14 der Meißner Straßenbahn handelt. Daher erhielt er entsprechend nachgefertigte Fabrikschilder und die Beschriftung „14“. Im Oktober 2021 brachte ein Lkw den Güterwagen nach Meißen, wo er seitdem im ehemaligen Straßenbahndepot hinterstellt ist.
In Zukunft soll der Güterwagen in Meißen gemeinsam mit der im Eigentum des Verkehrsmuseums Dresden befindlichen Güterlokomotive 3, hergestellt 1901 von der Fa. Liebscher in Dresden (mechanischer Teil) und der Union-Elektrizitätsgesellschaft in Berlin (elektrischer Teil), sowie mit einem Rollbockpaar im ehemaligen Straßenbahndepot an der Meißner Jaspisstraße die beiden Transporttechnologien der einstigen Güterbahn dokumentieren.
Spenden zur Aufarbeitung des Wagens sind willkommen!