Der Biertransportwagen 555 087 P
Die Geschichte der sächsischen Eisenbahn-Biertransportwagen nahm 1874 ihren Lauf, als die „Eisenwerke und Eisenbahn-Bedarfs-Fabrik Saxonia“ in Radeberg das erste Baumuster patentieren ließ und an die Radeberger Brauerei auslieferte. Von der einstigen Bedeutung dieser Waggongattung, die ab den 1860er Jahren in Deutschland rasche Verbreitung fand, zeugen nur wenige in der Bundesrepublik museal erhaltene Exemplare und ein paar morsche Wagenkästen.
Unser Bierwaggon wurde 1895 von der „Aktiengesellschaft für Fabrikation von Eisenbahnmaterial zu Görlitz“, später auch als WUMAG und Waggonbau Görlitz firmierend, für die bis Ende 1902 noch vor den Toren von Dresden in Plauen gelegene „Aktien-Bierbrauerei zu Reisewitz“ gebaut. Dieser Eigentümer stellte den Wagen bei den K.Sächs.Sts.E.B. als Privatfahrzeuge mit der Nr. 7242 oder 7246 ein, die bis 1909 gültig blieb. Bei der RBD Dresden erhielt unser Wagen 1922 die Nummer 555 087 P. Im „Bildlichen Verzeichnis“ der K.Sächs.Sts.E.B. war unser Wagen ab 1899 gemeinsam mit baugleichen anderen Biertransportwagen auf dem Blatt lfd. Nr. 387 geführt worden.
Unser Wagen ist ein in der Grundsubstanz verhältnismäßig gut erhaltenen früher Vertreter dieser Fahrzeuggattung und ein wertvoller Beleg für den sächsischen Waggonbau. Sein Innenraum wurde im Sommer durch (schmelzendes) Eis gekühlt und im Winter durch eine Dampfheizung und möglicherweise alternativ Presskohlen beheizt. Der Innenraum mit den „Randleisten“ für die Fässer ist bis heute gut erhalten, während von den Einbauten nur noch die Anbaupunkte zu erkennen sind. Die Türen mit der typischen Görlitzer Verriegelung sowie Dichtfilzen sind nahezu vollständig vorhanden.
Bis zum Ende seiner Dienstzeit um 1933 änderten sich die Lackierung des Wagens mindestens einmal, wie sich aus einer erhaltenen Werksaufnahme sowie den Anstrichresten auf den Brettern einer Außenwand nahezu vollständig rekonstruieren lässt. Nach seiner Ausmusterung diente der Kasten des Wagens bis in die 2000er Jahre in Königsbrück als Lagerraum einer Mühle. Um den Kasten zu erhalten, ließ ihn ein wenige Monate später an der Gründung der ISEG beteiligter Eisenbahnfreund im Sommer 2011 bergen und zur Traditionsbahn nach Radebeul Ost bringen. Eine dort angestrebte Aufarbeitung wurde zugunsten anderer Projekte abgebrochen, daraufhin kam der Wagen im April 2021 nach Neustadt. Derzeit laufen Planungen für seine behutsame Restaurierung. Als ältester erhaltener Bierwaggon Deutschlands stellt das Fahrzeug ein Kernelement unserer Arbeit in Neustadt dar. Wir hoffen dabei auf zahlreiche Unterstützung – gerne auch von „Stellmachern“ …